Corona-Geschäfte:Wenn Sauter und Nüßlein wie Waisenknaben wirken

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Sehnsuchtsort Landtag: Der Landkreis München entsendet zwei direkt gewählte Parlamentarier ins Maximilianeum. (Foto: Alessandra Schellnegger)

48 Millionen Euro hat Andrea Tandler mit einem Partner für ihre Maskendeals kassiert. Eine horrende Provision. Das neue bayerische Lobbyregister soll für Transparenz sorgen und solche Exzesse künftig verhindern.

Von Andreas Glas und Klaus Ott, München

Bei den Maskenaffären in Bayern bietet sich ein neues Rechenmaß an. Eine Provision für Tandler & Partner ist gleich zwanzig Sauters plus zwanzig Nüßleins. Andrea Tandler, Tochter des CSU-Granden Gerold Tandler, hat zusammen mit einem Partner 48,3 Millionen Euro Honorar für die Vermittlung von Maskendeals kassiert. Das besagen Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft München I, die in diesem Fall ermittelt.

Die langjährigen CSU-Politiker Alfred Sauter und Georg Nüßlein wirken da fast schon wie die sprichwörtlichen Waisenknaben. Sauter hat rund 1,2 Millionen Provision erhalten; das Geld ging an eine Firma seiner Töchter. Nüßlein sollte in etwa die gleiche Summe bekommen, musste sich aber erst einmal mit gut der Hälfte begnügen.

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Die Münchner PR-Unternehmerin Andrea Tandler hat also zusammen mit einem Partner rund zwanzig Mal so viel kassiert, wie Sauter und Nüßlein zusammen erhielten beziehungsweise bekommen sollten. Die neue Dimension, die jetzt nach einer Geldwäsche-Razzia bei der Tandler-Tochter gleichsam amtlich dokumentiert ist, empört die Landtagsopposition. Und führt zu der Frage, ob sich solche Exzesse mit dem neuen Lobbyregister künftig verhindern lassen.

Für Andrea Tandler, gegen die wegen Geldwäsche- und Steuer-Vorwürfen ermittelt wird, gilt die Unschuldsvermutung. Sollten sich Verdachtsmomente nicht bewahrheiten, werden Ermittlungen eingestellt.

"Notwendige Konsequenzen", sagt Aigner

48,3 Millionen Euro. "Die Summe spricht für sich", sagt Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), die das Lobbyregister am Donnerstag vorstellt. Vom Parlament beschlossen wurde das Register bereits im Juni. Einstimmig, betont Aigner. Nun geht es online.

Wer künftig als Lobbygruppe seine Interessen bei Staatsregierung oder Abgeordneten durchsetzen will, muss sich registrieren und einen Verhaltenskodex bestätigen. Wer das nicht tut oder falsche Angaben macht, dem droht ein Bußgeld, bis zu 50 000 Euro. In der Datenbank auf der Homepage des Landtags kann dann jeder nach Gesetzesvorhaben suchen und bekommt angezeigt, welche Verbände oder Vereine wie daran mitgewirkt haben. Umgekehrt ist auch die Suche nach Interessenvertretern möglich.

"Ein guter Tag für die Transparenz von demokratischen Prozessen", sagt Aigner. Sie spricht von "notwendigen Konsequenzen aus der Maskenaffäre", die sie vor Kurzem "schäbig und schädlich" nannte. Wäre ein Fall wie der von Andrea Tandler vom neuen Lobbyregister erfasst? Sie gehe davon aus, dass dies "eine Registrierungspflicht auslösen würde", sagt Aigner.

Andrea Tandler hatte für die Schweizer Handelsfirma Emix Corona-Geschäfte in Höhe von rund 700 Millionen Euro mit den Gesundheitsministerien in Bayern und in Nordrhein-Westfalen und vor allem mit dem Bundesgesundheitsministerium vermittelt. Dabei hatte sich die Tochter des einstigen CSU-Generalsekretärs und Ex-Ministers Gerold Tandler der Hilfe von Monika Hohlmeier bedient. Hohlmeier, CSU-Europaabgeordnete, ist die Tochter des einstigen CSU-Chefs und Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Die Familien Tandler und Strauß sind befreundet.

Die Tandler-Tochter hatte über die Strauß-Tochter Hohlmeier im Frühjahr 2020, zu Beginn der Pandemie, Kontakt zur damaligen Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) und zum seinerzeitigen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aufgenommen. So fädelte Andrea Tandler die Maskendeals ein. Hohlmeier hat nach eigenen Angaben nichts verlangt und nichts bekommen. Es gibt auch keine Hinweise, dass die Strauß-Tochter von Provisionen profitiert hätte. Und es gibt auch keinerlei Ermittlungen gegen Hohlmeier.

Öffentlich bekannt wurde Tandlers Geschäftsanbahnung via Hohlmeier erst knapp ein Jahr nach dem Verkauf von Corona-Schutzkleidung durch Emix an staatliche deutsche Abnehmer. Dem neuen Lobbyregister zufolge müssten solche Geschäftsanbahnungen möglicherweise gemeldet werden und wären dann öffentlich einsehbar. Was wiederum eine abschreckende Wirkung haben dürfte. Wer wollte öffentlich dokumentieren, welche politischen Kanäle er oder sie benutzt, um schnell viele Millionen Euro zu kassieren.

"Gewinn für die Transparenz im Freistaat"

"Ein Gesetz gegen solche Praktiken ist gut, aber es muss auch der CSU-Sumpf trockengelegt werden", sagt Florian von Brunn, Chef der SPD-Landtagsfraktion, über das Lobbyregister. Er will wissen, ob Maskengeschäfte "mit irgendwelchen Vorteilen" für die CSU verbunden gewesen seien. Parteichef Markus Söder müsse sich zur horrenden Provision äußern, sagt Brunn.

Das schlage "dem Fass den Boden aus", so kommentiert der FDP-Abgeordnete Helmut Kaltenhauser die "fast 50 Millionen Euro". Es sei erschreckend, "dass bei den Beteiligten das Gefühl verlorengegangen ist, wo die Grenzen des politisch Erlaubten liegen", sagt der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion.

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Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze bezeichnet das Lobbyregister als "Gewinn für die Transparenz im Freistaat". Die Affäre und der Druck der Opposition habe letztlich dazu geführt, dass sich die CSU "nicht mehr widersetzen" habe können, sagt Schulze. Sie bedauert allerdings, dass die Überwachung des Lobbyregisters beim Landtagspräsidium liegt und nicht bei einem unabhängigen Beauftragten.

Nach dem Lobbyregistergesetz, das am 1. Januar in Kraft tritt, wird am 1. April auch das verschärfte Abgeordnetenrecht wirksam, das der Landtag neulich beschlossen hat - ebenfalls als Konsequenz der Maskenaffäre. Die neuen Regeln verbieten den Parlamentariern unter anderem bezahlte Lobbytätigkeit. Dass Affären damit automatisch der Vergangenheit angehören, glaubt Grünen-Fraktionschefin Schulze aber nicht. Sie sagt: "Alle Regelungen nützen natürlich wenig, wenn den Verantwortlichen der politische Anstand und der moralische Kompass fehlt."

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